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Pfarrerin Johanna Spittler fühlte sich im Appenzellerland stets wohl und verlässt nun Herisau Richtung Deutschland.


Johanna Spittler kehrt nach Hause zurück

Drei Jahre lang war Johanna Spittler Pfarrerin in Herisau. Nun tritt die 65-Jährige in den Ruhestand und kehrt nach Hause zurück: nach Hilpoltstein, in jene mittelfränkische Kleinstadt 30 Kilometer südlich von Nürnberg, in der sie aufgewachsen ist. In Herisau habe sie sich vom ersten Tag an wohl gefühlt, erzählt sie in ihrem Büro, während dem sie Bücher in Umzugskartons einsortiert. Das habe vermutlich mit der vergleichbaren Grösse und ländlichen Lage Herisaus mit Hilpoltstein zu tun. Trotz erschwerten äusseren Bedingungen habe sie schnell guten Kontakt zu den Mitgliedern der Kirchgemeinde finden können. Mit erschwerten Bedingungen meint Johanna Spittler die im Corona-Winter 2021 geltenden Schutzmassnahmen. Heute kann sie darüber lachen, aber dass sie den Appenzeller Dialekt der maskentragenden und nur mässig deutlich artikulierenden Konfirmandinnen und Konfirmanden nur schwer verstanden hat, fand sie damals nicht lustig.


Diakonie und Seelsorge

 In ihrer dreijährigen Tätigkeit erst in der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Herisau und danach in der fusionierten Kirchgemeinde Appenzeller Hinterland setzte sie persönliche Schwerpunkte im Gemeindeaufbau, in der Seelsorge und in diakonischen Projekten. So war sie unter anderem als Verwalterin des Hilfsfonds tätig, der niederschwellig in Not geratenen Menschen finanzielle Hilfe zukommen lässt. Als Pfarrer Harald Greve im Dezember 2022 unerwartet starb, stellte sich Johanna Spittler spontan zur Verfügung, die pastorale Grundversorgung im Kirchgemeindeteil Schönengrund sicherzustellen.


Als 42-Jährige an die Uni

 Johanna Spittler ist eine spätberufene Pfarrerin. Nach dem Gymnasium schlug sie die vom Elternhaus vorgezeichnete Ausbildung zur Lehrerin aus und absolvierte eine Lehre als Gärtnerin. Vom Fernweh geplagt, zog es die junge Frau nach Kanada, doch die Geburt des Sohnes machte die Reisepläne zunichte. Als alleinerziehende Mutter trug sie nun Verantwortung, beruflich wechselte sie in den sozialen Bereich, weil sie damals als Fachkraft für Heilerziehungspflege mehr verdienen konnte wie als Gärtnerin. Wie Johanna Spittler erzählt, habe eine tiefe persönliche Krise in ihrer Jugend und der Wunsch, sich nachhaltig für den Frieden einzusetzen, zu einer Auseinandersetzung mit Glaubensfragen und einer prägenden Gotteserfahrung geführt. Nach einem sich über zwanzig Jahre hinziehenden Prozess entschloss sie sich im Alter von 42 Jahren zum Theologiestudium. Die Stellung einer «alten» Studentin und danach einer «alten» Berufseinsteigerin war nicht leicht. Doch Johanna Spittler kämpfte sich mit der ihr eigenen Beharrlichkeit durch. Der Wunsch, im Ausland neue Erfahrungen und Formen von Kirchgemeinde kennen zu lernen, führte sie zunächst zu den Berner Mennoniten, einer traditionsreichen friedensethisch ausgerichteten Freikirche, bis sie 2015 als Pfarrerin der Landeskirche Bern-Jura-Solothurn ordiniert wurde. Nach Vakanzvertretungen trat sie im Fricktal ihre erste Pfarrstelle an und im Dezember 2020 wechselte sie ins Appenzellerland.
Dankbare Lückenbüsserin
Als Pfarrerin sei sie eigentlich immer eine Lückenbüsserin geblieben, stellt sie am Ende ihres Berufslebens fest. Und gleich schiebt sie nach, aber es sei ja auch eine Christenpflicht und Aufgabe der Kirche, dort zu dienen, wo es gebraucht wird. Wenn sie nun nach Hause zurückkehre, dann nehme sie eine grosse Dankbarkeit in ihrem Herzen mit. Dankbarkeit für all das Gute, das sie in ihrem Berufsleben habe erleben und erfahren dürfen. Johanna Spittler kehrt in ihr Haus in Hilpoltstein zurück, wo sie erst einmal zur Ruhe kommen und sich um den Garten kümmern will. Langweilig dürfte es ihr im Ruhestand ohnehin nicht werden, zu lang ist die Liste der Projekte in ihrem Hinterkopf.                                                                                                                mst.